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Kirchengericht:Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche)
Entscheidungsform:Beschluss (unanfechtbar)
Datum:09.10.2003
Aktenzeichen:XIII 102/09-149
Rechtsgrundlage:§ 11 Abs. 2, § 103 Abs. 1 KV (Kirchenverfassung), § 2, § 20 Abs. 1 Satz 1, § 21 Satz 1 und 2, § 34, § 37 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 3 und Abs. 5 Satz 1 WO 2002 (Wahlordnung vom 11. Februar 2002), § 10 VuVGG (Gesetz über das Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Pfälzischen Landeskirche), § 29 Abs. 3, GemO (Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz), § 15 bis § 25, § 48 KWG (Gesetz des Landes Rheinland-Pfalz über die Wahlen zu den kommunalen Vertretungsorganen - Kommunalwahlgesetz -), § 67 Kommunalwahlordnung Rheinland-Pfalz, § 2 Satz 1 WahlPrG (Wahlprüfungsgesetz), § 222 Abs. 1 und 2 ZPO (Zivilprozessordnung), § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), § 161 Abs. 2 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung)
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Anfechtung einer Presbyteriumswahl bei Unterschreitung der gesetzlich geforderten Bewerberzahl
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Leitsatz:

  1. Zur Berechnung der Einwochenfrist des § 37 Abs. 1 WO 2002 für die Erhebung eines Einspruchs gegen eine Presbyteriumswahl.
  2. Bei der Frist des § 37 Abs. 1 WO 2002 handelt es sich um eine Ausschlussfrist. Die Ausschlusswirkung soll der alsbaldigen Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit der Funktionsfähigkeit des Organs, zu dem die Wahl stattgefunden hat, dienen (Gedanke der Wahlbestandssicherung).
  3. Wird gegen eine Presbyteriumswahl Einspruch erhoben und dieser fälschlicherweise nicht an den zuständigen Bezirkskirchenrat, sondern an den Landeskirchenrat gerichtet, hat der Landeskirchenrat das betreffende Schreiben an den Bezirkskirchenrat weiterzuleiten. Es genügt eine Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang, d.h. unter Vermeidung jeder unnötigen Verzögerung einerseits und Verzicht auf außergewöhnliche Mittel der Beschleunigung andererseits. Dem Gedanken der Wahlbestandssicherung wird kein Abbruch getan, wenn mit Blick auf die Zuständigkeit des Landeskirchenrats nach § 37 Abs. 4 Satz 3 WO im Verfahren der Wahlprüfung (Bestätigung der Ungültigerklärung einer Wahl) ein Einspruch als rechtzeitig behandelt wird, der zwar innerhalb der Frist des § 37 Abs. 1 WO 2002 dem Landeskirchenrat zugeht, trotz ordnungsgemäßer Weiterleitung aber erst nach dem Ablauf dieser Frist den Bezirkskirchenrat erreicht.
  4. Nicht jede Unterschreitung der nach § 20 Abs. 1 Satz 1 WO 2002 zu fordernden Zahl von Bewerbern stellt die Gültigkeit einer Presbyteriumswahl im Sinne von § 37 Abs. 3 Satz 2 WO 2002 durchgreifend in Frage.
  5. Zur Frage, ob anderes dann gilt, wenn die Zahl der Bewerber nicht einmal über die gesetzliche Zahl der Mitglieder des Presbyteriums hinausgeht.

Tenor:

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
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Gründe:

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 10 des Gesetzes über das Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Pfälzischen Landeskirche - VuVG - i. V. m. § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - nurmehr über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden; hierbei ist der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen. Bei Anlegung dieses Maßstabes sind die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben. Zwar spricht viel dafür, dass der Kläger bei einer streitigen Beendigung des Verfahrens mit seinem Begehren um Aufhebung der Beschwerdeentscheidung der Kirchenregierung vom ... , durch die dem Einspruch gegen die in der Kirchengemeinde des Klägers ... am ... durchgeführte Presbyteriumswahl stattgegeben worden und die Wahl in vollem Umfang für ungültig erklärt worden ist, voraussichtlich unterlegen wäre. Gleichwohl erscheint es nicht angemessen, ihm die gesamten Kosten des Verfahrens aufzubürden. Dies ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Erwägungen:
Die Klage wirft zunächst die Frage auf, ob der Einspruch gegen die Wahl, wie geschehen, als rechtzeitig behandelt und sachlich beschieden werden durfte oder wegen einer Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig hätte verworfen werden müssen.
Nach § 37 Abs. 1 der Wahlordnung vom 11. Februar 2002 (ABl. S. 58) - WO 2002 - ist ein Einspruch gegen eine Presbyteriumswahl binnen einer Woche nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses beim zuständigen Bezirkskirchenrat einzulegen. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, wurde das Ergebnis der Presbyteriumswahl in seiner Kirchengemeinde an dem auf den Tag der Wahl folgenden Sonntag, mithin am ... , im Gottesdienst bekannt gegeben (vgl. § 34 WO 2002). Die Frist des § 37 Abs. 1 WO 2002 lief danach am Montag, dem 16. Dezember 2002 ab, ohne dass es einer Belehrung hierüber bedurft hätte (vgl. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 1 BGB; Schreiber, Wolfgang: Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, 2002, § 49 BWahlG Rn. 18 zur Parallelvorschrift des § 2 Satz 1 des Wahlprüfungsgesetzes des Bundes). An diesem Tag lag der Einspruch zwar dem Landeskirchenrat in Speyer, an den die Einspruchsführerin ihr Einspruchsschreiben gerichtet hatte, nicht aber dem Bezirkskirchenrat ... , an den das Schreiben zu richten gewesen wäre, vor. Letzterem wurde er erst nach Ablauf der Einspruchsfrist des § 37 Abs. 1 WO 2002 übermittelt. Gleichwohl spricht viel dafür, dass der Einspruch nicht als verspätet zu werten ist.
Zwar handelt es sich bei der Frist des § 37 Abs. 1 WO um eine Ausschlussfrist, in die auch bei einer unverschuldeten Säumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich nicht möglich ist (Schreiber, a.a.O.; Seifert, Karl-Heinz, Bundeswahlrecht, Kommentar, 3. Auflage, 1976, S. 383; Kretschmer, Gerald, Wahlprüfung, in: Schneider, Hans-Peter/Zeh, Wolfgang, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, S. 453 f.). Im hier zur Beurteilung stehenden Fall gilt auch nicht ausnahmsweise deshalb etwas anderes, weil der Einspruch dem Bezirkskirchenrat rechtzeitig vorgelegen hätte, wenn er beim Landeskirchenrat am Tag seines Eingangs ... bearbeitet und zum Zwecke der Weiterleitung an den Bezirkskirchenrat zur Post aufgegeben worden wäre. Denn der ... fiel auf einen Samstag, sodass mit einer Bearbeitung des Einspruchs erst am Montag, dem ... gerechnet werden konnte. Da an diesem Tag die Frist des § 37 Abs. 1 WO 2002 ablief, hätte der Einspruch nur dann rechtzeitig beim Bezirkskirchenrat vorgelegen, wenn eine besondere Form der Übermittlung (z. B. mittels Telefax oder durch Boten) gewählt worden wäre. Hierzu war der Landeskirchenrat indessen nicht verpflichtet. Er war nur gehalten, für eine Weiterleitung des Einspruchs „im ordentlichen Geschäftsgang“ zu sorgen. Unter „ordentlichem Geschäftsgang“ ist eine Verfahrensweise zu verstehen, die einerseits jede unnötige Verzögerung vermeidet, andererseits aber auf außergewöhnliche Mittel der Beschleunigung verzichtet (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 23. Januar 2003, NVwZ-RR 2003, S. 531 m. w. N. aus der Rechtsprechung). Danach war ein Eingang des Einspruchs beim Bezirkskirchenrat ... vor dem Ablauf der Frist des § 37 Abs. 1 WO 2002 nicht zu erwarten.
Andererseits ist zu beachten, dass die Ausschlusswirkung der Frist, innerhalb derer ein Einspruch gegen eine Wahl zu erheben ist, der alsbaldigen Klarheit über die Gültigkeit der Wahl und damit der Funktionsfähigkeit des Organs, zu dem die Wahl stattgefunden hat, dienen soll (Gedanke der Wahlbestandssicherung; vgl. Schreiber, a.a.O.; Seifert, a.a.O., jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Mit diesem Zweck unvereinbar wären langwierige Auseinandersetzungen über das Vorliegen oder das Fehlen der Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist. Demgegenüber wird dem Gedanken der Wahlbestandssicherung kein Abbruch getan, wenn ein Einspruch als rechtzeitig behandelt wird, der - wie im vorliegenden Fall - nachweislich innerhalb der maßgebenden Frist bei einem Organ eingeht, dem - wie hier dem Landeskirchenrat durch § 37 Abs. 4 Satz 3 WO 2002 - Kompetenzen im Verfahren der Wahlprüfung zugewiesen sind, und von dem die unverzügliche Weiterleitung des Einspruchs an das für die Entscheidung hierüber zuvörderst zuständige Organ erwartet werden kann. Dem entspricht, dass nach § 67 der Kommunalwahlordnung des Landes Rheinland-Pfalz (GVBl. 1983 S. 247) ein Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum Verbandsgemeinderat beim Bürgermeister der Verbandsgemeinde, gegen die Gültigkeit der Wahl zum Kreistag beim Landrat und gegen die Gültigkeit der Wahl zum Bezirkstag beim Vorsitzenden des Bezirkstages innerhalb der Einspruchsfrist des § 48 des Kommunalwahlgesetzes - KWG - (GVBl. 1994 S. 137) schriftlich zu erheben ist, aber auch dann als rechtzeitig erhoben gilt, wenn er innerhalb dieser Frist bei dem zu einer unverzüglichen Weiterleitung an das zuständige Organ verpflichteten Bürgermeister der Ortsgemeinde des Einspruchsführers eingereicht wird. Es spricht daher alles dafür, dass die Kirchenregierung den in Rede stehenden Einspruch zu Recht als fristgerecht behandelt hat.
Das beschließende Gericht neigt zu der Auffassung, dass die Entscheidung der Kirchenregierung auch in der Sache rechtlich nicht zu beanstanden ist, die Wahl zum Presbyterium der Kirchengemeinde ... mithin zu Recht in vollem Umfang beanstandet wurde. Das ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Erwägungen:
Nach § 11 Abs. 2, 5. Fall der Verfassung der Landeskirche - KV - und § 2, 5. Fall WO 2002 waren in der Kirchengemeinde des Klägers neun Presbyterinnen oder Presbyter zu wählen. Die Liste der zur Wahl vorgeschlagenen Bewerber hätte demgemäß mindestens achtzehn Namen umfassen müssen (§ 20 Abs. 1 Satz 1 WO 2002). Da diese Zahl verfehlt wurde, war die Liste durch das bisherige Presbyterium und den Wahlausschuss zu ergänzen (§ 21 Satz 1 WO 2002). Dass sich am ... gleichwohl nur die Namen von sechs Bewerbern auf der Liste fanden, stellt die Gültigkeit der an diesem Tag durchgeführten Wahl in Frage.
Zwar führt ein Einspruch gegen eine Presbyteriumswahl nicht schon bei jeder Unterschreitung der von § 20 Abs. 1 Satz 1 WO 2002 geforderten Zahl von Bewerbern zum Erfolg. Hierfür spricht nicht zuletzt die Bestimmung des § 21 Satz 2 WO 2002, derzufolge in kleineren Kirchengemeinden bis zu 500 Mitgliedern, in denen eine vollständige Vorschlagsliste nicht zu Stande kommt, die Mindestzahl von zehn Bewerbern auf acht herabgesetzt werden kann. In Verbindung mit der Vorschrift des § 21 Satz 1 WO 2002 lässt sich dieser Regelung indessen entnehmen, dass die Zahl der Bewerber jedenfalls größer sein muss als die gesetzliche Zahl der Mitglieder des Presbyteriums. Vorliegend wurde die sich hiernach ergebende Mindestzahl von Bewerbern nicht erreicht. Demgemäß dürfte in der gleichwohl durchgeführten Wahl - ungeachtet des Umstandes, dass diese ein beschlussfähiges, weil mehr als die Hälfte der Zahl der gesetzlichen Mitglieder umfassendes Presbyterium (§ 103 Abs. 1 KV) hervorgebracht hat - ein erheblicher Verstoß gegen zwingende Vorschriften des kirchlichen Wahlrechts liegen, der geeignet war, das Wahlergebnis zu beeinflussen, weil dieses, was auf der Hand liegt und deshalb näherer Darlegung nicht bedarf, anders hätte ausfallen können, wenn die Liste zumindest die unabdingbare Mindestzahl an Bewerbern umfasst hätte (§ 37 Abs. 3 Satz 2 WO 2002).
Dem lässt sich wohl nicht mit Erfolg entgegengehalten, dass nach § 29 Abs. 3 der Gemeindeordnung - GemO - für das Land Rheinland-Pfalz (GVBl. 1994, S. 153) eine Gemeinderatswahl, die nicht zu einer Vergabe aller Sitze führt, Bestand hat, sofern nur ein beschlussfähiger Gemeinderat zu Stande kommt. Denn insbesondere durch die Vorschrift des § 21 Satz 1 WO 2002 unterscheidet sich das kirchliche Wahlrecht so erheblich vom Kommunalwahlrecht des Landes (vgl. hierzu § 15 bis § 25 KWG), dass eine Anwendung des in § 29 Abs. 3 GemO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens auf Fälle wie den vorliegenden nicht in Betracht kommen dürfte.
Der Auffassung des Landeskirchenrates, dass danach zu unterscheiden sei, ob das bisherige Presbyterium und der Wahlausschuss hinreichende Bemühungen unternommen haben, die notwendige Zahl von Bewerbern zu finden, vermag sich das Gericht nicht anzuschließen. Denn damit wird die Gültigkeit einer Presbyteriumswahl mit Wertungsunsicherheiten belastet, die mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit und -klarheit, denen gerade im Wahlrecht besondere Bedeutung zukommt, nicht zu vereinbaren sind.
Folgt man diesen Überlegungen, spricht alles dafür, dass unter den gegebenen Umständen in der Kirchengemeinde des Klägers am 1. Dezember 2002 nicht hätte gewählt werden dürfen. Allerdings besteht zu der Bemerkung Anlass, dass die Wahlordnung eine hinreichend eindeutige Regelung, die einen solchen Schluss stützte, vermissen lässt. Eine Fortentwicklung des geltenden Rechts durch den kirchlichen Gesetzgeber, die diesen Umstand und darüber hinaus die gesamte in diesem Rechtsstreit zu Tage getretene Problematik in den Blick nimmt, erscheint deshalb - nicht zuletzt zur Vermeidung weiterer Misshelligkeiten und Streitigkeiten, wie sie vorliegend aufgetreten sind - in hohem Maße wünschenswert.
Für das weitere Verfahren ist zu beachten, dass der Landeskirchenrat gemäß § 37 Abs. 5 Satz 1 WO 2002 eine Neuwahl (Wiederholungswahl) anzuordnen hat, die „nach den Bestimmungen dieses Gesetzes stattzufinden hat“. Eine Wahlanordnung auf der Grundlage dieser Vorschrift sollte den vorangehenden Ausführungen zufolge erst dann ergehen, wenn gesichert erscheint, dass die für eine gültige Wahl notwendige Zahl von Bewerbern zur Verfügung steht.
Auch wenn die Klage hiernach voraussichtlich ohne Erfolg geblieben wäre, erscheint es unbillig, den Kläger mit den gesamten Kosten des Verfahrens zu belasten. Er war bereit, in einer für seine Kirchengemeinde schwierigen Situation und ungeachtet erheblicher rechtlicher Unsicherheiten das Amt eines Presbyters anzutreten. Mit seiner verfahrensbeendenden Erklärung hat er in erster Linie auf die Veränderungen reagiert, die in der Gemeinde dadurch eingetreten sind, dass der bisherige Inhaber der Pfarrstelle dieser mit Wirkung vom ... enthoben wurde und die Aussicht auf eine Kandidatur weiterer Gemeindeglieder für das Amt eines Presbyters oder einer Presbyterin gewachsen zu sein scheint. Angesichts dessen entspricht es der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 10 VuVG i.V.m. § 158 Abs. 2 VwGO).