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Vereinbarung über die Evangelische Seelsorge an den Saarländischen Justizvollzugsanstalten
zwischen dem Saarland vertreten durch den Ministerpräsidenten und der Evangelischen Kirche im Rheinland vertreten durch die Kirchenleitung
sowie der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) vertreten durch den Landeskirchenrat

vom 1. August 2004

(ABl. 2004 S. 258)

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Präambel

Das Saarland, vertreten durch den Ministerpräsidenten,
und
die Evangelische Kirche im Rheinland, vertreten durch die Kirchenleitung,
sowie
die Evangelische Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche), vertreten durch den Landeskirchenrat,
treffen über die Sicherstellung der Evangelischen Seelsorge an den Justizvollzugsanstalten des Saarlandes nachstehende Vereinbarung:
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Artikel 1

( 1 ) Die Evangelische Seelsorge an den Justizvollzugsanstalten bildet einen Teil der den Kirchen obliegenden allgemeinen Seelsorge.
( 2 ) Seelsorgerinnen und Seelsorger an den Justizvollzugsanstalten, im Folgenden Pfarrerinnen und Pfarrer genannt, nehmen ihren Dienst im Haupt- oder Nebenamt wahr.
( 3 ) Die Freiheit der Verkündigung und des Beicht- und Seelsorgegeheimnisses werden gewährleistet.
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Artikel 2

( 1 ) Pfarrerinnen und Pfarrer stehen im Dienst der Kirchenkreise im Saarland der Evangelischen Kirche im Rheinland oder im Dienst der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche). Sie unterstehen der Dienst- und Disziplinaraufsicht der jeweiligen Kirche.
( 2 ) Sie sind verpflichtet, bei der Ausübung ihres Dienstes die Bestimmungen über den Strafvollzug und die Untersuchungshaft zu beachten.
( 3 ) Sie arbeiten in ihrem Dienst mit den Vollzugsbediensteten eigenverantwortlich zusammen. Sie haben das Recht auf Teilnahme an den Dienstbesprechungen und Vollzugskonferenzen. Sie sind bei allen kirchliche Veranstaltungen berührenden Maßnahmen der Anstaltsleitung vorher zu hören.
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Artikel 3

( 1 ) Zu den Rechten der Pfarrerinnen und Pfarrer gehören die Inanspruchnahme aller Einrichtungen und die Veranlassung organisatorischer Maßnahmen, die geeignet und erforderlich sind, ihre Aufgaben gemäß Artikel 4 zu erfüllen.
( 2 ) Sie haben Anspruch auf die Bereitstellung von Räumen, die für die Ausübung des Dienstes notwendig sind (gottesdienstlicher Raum und Dienstzimmer).
( 3 ) Die Planung, Einrichtung und Gestaltung von Gottesdiensträumen in Justizvollzugsanstalten erfolgt durch das Land im Einvernehmen mit den Kirchenkreisen im Saarland der Evangelischen Kirche im Rheinland oder mit der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche).
( 4 ) Pfarrerinnen und Pfarrer können im Einvernehmen mit der Anstaltsleitung freiwillige Helferinnen und Helfer, unterstützende Gruppen, andere Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie Seelsorgehelferinnen und Seelsorgehelfer für den Dienst in der Einrichtung hinzuziehen.
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Artikel 4

( 1 ) Pfarrerinnen und Pfarrer haben im Wesentlichen folgende Aufgaben:
  • regelmäßige Feier von Gottesdiensten,
  • Beichte,
  • Feier von Taufe und Abendmahl,
  • Durchführung von Amtshandlungen aus besonderem Anlass (z. B. Trauungen),
  • Einzelseelsorge einschließlich der Zellenbesuche und der Aussprache mit einzelnen Inhaftierten,
  • Angebote von Gruppenarbeit, Kursen und Unterweisungsstunden,
  • Durchführung von Besuchen und Begleitung bei Ausführung von Inhaftierten in seelsorglich begründeten Fällen, besondere Krankenseelsorge bei Krankheitsfällen innerhalb der Justizvollzugsanstalt,
  • Beratung und seelsorglicher Beistand auch für die Angehörigen der Inhaftierten in Partnerschafts-, Ehe- und Familienangelegenheiten im Zusammenhang mit den sich aus der Inhaftierung ergebenden Problemen,
  • Mitwirkung bei der sozialen Hilfe für die Inhaftierten und deren Familien unter Beachtung der Primärzuständigkeit des Sozialdienstes,
  • Seelsorge an Mitarbeitenden und Bediensteten des Strafvollzugs, unbeschadet der Zuständigkeit der Gemeindepfarrerin oder des Gemeindepfarrers,
  • Mitwirkung bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Mitarbeitenden im Strafvollzug,
  • Mitwirkung bei der Gewinnung und Betreuung ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer sowie von Kontaktgruppen im Vollzug,
  • Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit in Gesellschaft und Kirche.
( 2 ) Die Aufgaben und Rechte der Pfarrerinnen und Pfarrer aus dieser Vereinbarung erstrecken sich auch auf Inhaftierte, die keiner Evangelischen Kirche angehören, jedoch Betreuung durch Evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer wünschen.
( 3 ) Rechte, Pflichten und Aufgaben der Pfarrerinnen und Pfarrer sowie die von den Justizbehörden zu schaffenden organisatorischen Voraussetzungen für die Ausführung der Seelsorge an den Justizvollzugsanstalten bestimmen sich im Übrigen nach einer Dienstordnung, die durch das Ministerium der Justiz im Einvernehmen mit den Landeskirchen erlassen wird.
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Artikel 5

( 1 ) Pfarrerinnen und Pfarrer werden durch Gestellungsvertrag der Evangelischen Kirche im Rheinland oder der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) mit dem Saarland für die Dauer von jeweils acht Jahren berufen. Im Vorfeld der Berufung wird mit dem zuständigen Ministerium Einvernehmen hergestellt.
( 2 ) Liegen Tatsachen vor, aus denen sich gegen die Person oder die Tätigkeit der Pfarrerinnen und Pfarrer schwerwiegende Bedenken gegen den weiteren Dienst ergeben und können diese nicht einvernehmlich zwischen Land, Kirche und der oder dem Betroffenen geklärt werden, kann das Land den Widerruf des Gestellungsvertrages verlangen.
( 3 ) Betroffene sind vor einer Entscheidung von der Evangelischen Kirche im Rheinland oder der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) und dem zuständigen Ministerium zu hören.
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Artikel 6

( 1 ) Urlaub und Dienstbefreiung richten sich für Pfarrerinnen und Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland nach dem Pfarrdienstgesetz (Kirchengesetz über die dienstrechtlichen Verhältnisse der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Union vom 15. Juni 1996; ABL. EKD S. 470), für Pfarrerinnen und Pfarrer der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) nach deren Pfarrerdienstrecht.
( 2 ) Die Vertretung bei Abwesenheit und die Urlaubsvertretung regeln die Pfarrerinnen und Pfarrer nach Abstimmung mit dem kirchlichen Anstellungsträger im Einvernehmen mit der Anstaltsleitung. Die Krankheits- und Vakanzvertretung regelt der kirchliche Anstellungsträger im Einvernehmen mit der Anstaltsleitung.
( 3 ) Nach Ausscheiden einer Pfarrerin oder eines Pfarrers soll die Stelle nach Möglichkeit innerhalb von drei Monaten wieder besetzt werden.
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Artikel 7

( 1 ) Pfarrerinnen und Pfarrer erhalten ihre Besoldung von den jeweiligen Landeskirchen.
( 2 ) Das Saarland erstattet der Evangelischen Kirche im Rheinland gemäß der Ordnung über die Besoldung und Versorgung der Pfarrerinnen und Pfarrer sowie der Vikarinnen und Vikare (Pfarrbesoldungs- und -Versorgungsordnung – PfBVO – in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2000; KABl. 2001 S. 1) und dem Kirchengesetz über die Durchführung der Pfarrbesoldung, den Finanzausgleich und die Umlagen in der Evangelischen Kirche im Rheinland (Finanzausgleichsgesetz – FAG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997; KABl. S. 82; zuletzt geändert durch Kirchengesetz vom 14. Januar 2000; KABl. S. 72) den zu zahlenden Besoldungsaufwand (Grundgehalt, allgemeine Zulagen, Gefängnisseelsorgezulage, Familienzuschläge), höchstens jedoch in Höhe der Besoldungsgruppe A 14 des Bundesbesoldungsgesetzes und im Rahmen der Bestimmungen des Saarländischen Sonderzahlungsgesetzes.
( 3 ) Das Saarland erstattet der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) den zu zahlenden Besoldungsaufwand nach dem Pfarrbesoldungsgesetz vom 1. November 2001 (ABl. S. 134) in der jeweils geltenden Fassung und den dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen, höchstens jedoch in Höhe der Besoldungsgruppe A 14 des Bundesbesoldungsgesetzes und im Rahmen der Bestimmungen des Saarländischen Sonderzahlungsgesetzes.
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Artikel 8

( 1 ) Das Saarland erstattet zusätzlich zu dem nach Art. 7 Abs. 2 und Abs. 3 entstehenden Besoldungsaufwand einen Beitrag zu den Versorgungslasten. Die Erstattung erfolgt durch eine Pauschalsumme in Höhe von fünfundzwanzig Prozent des Besoldungsaufwandes gemäß Art. 7 Abs. 2 und Abs. 3.
( 2 ) Die Evangelische im Rheinland und die Evangelische Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) verpflichten sich, den Beitrag zu den Versorgungslasten in voller Höhe zurückzuerstatten, wenn die Pfarrerin oder der Pfarrer vor Ablauf eines Jahres aus der Tätigkeit als Seelsorgerin oder Seelsorger an den Justizvollzugsanstalten des Saarlandes nach dieser Vereinbarung ausscheidet.
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Artikel 9

Das Saarland leistet zu den Erstattungen nach Art. 7 für die Nebenleistungen der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) für die Pfarrerinnen und Pfarrer eine Pauschalsumme in Höhe von fünf Prozent des jeweiligen Besoldungsaufwands. Nebenleistungen sind insbesondere Übergangsgelder, Abfindungen, Beihilfen, Unterstützungen, Unfallfürsorge, Trennungsentschädigung, Reisekosten, Umzugskosten sowie Kosten der Einstellungs- und Wiederholungsuntersuchungen.
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Artikel 10

Wird bei Erkrankungen oder sonstiger Beurlaubung der Pfarrerin oder des Pfarrers keine Vertretung gestellt, so werden die in den Art. 7 bis 9 genannten Beträge bis zum Ende des Monats erstattet, der auf den Beginn der Erkrankung oder sonstigen Verhinderung folgt. Bei Stellung einer Vertretung tritt keine Unterbrechung oder Kürzung der Erstattung ein.
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Artikel 11

Die gemäß Art. 7 bis 9 zu erstattenden Kosten und Pauschalsummen werden auf Nachweisung vom Land der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) vierteljährlich nachträglich überwiesen.
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Artikel 12

Die Vertragsschließenden werden eine etwa in Zukunft auftretende Meinungsverschiedenheit über die Auslegung einer Bestimmung dieser Vereinbarung auf freundschaftliche Weise beseitigen.
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Artikel 13

( 1 ) Diese Vereinbarung tritt am 1. August 2004 in Kraft.
( 2 ) Gleichzeitig tritt die Vereinbarung vom 22. Juli 1977 außer Kraft.
( 3 ) Die Vereinbarung wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Sie kann von jedem Vertragspartner mit dreijähriger Frist zum Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden.
Saarbrücken, den 3. September 2004
Namens des Ministerpräsidenten
Die Ministerin der Justiz
Ingeborg Spoerhase-Eisel
Düsseldorf, den 20. September 2004
Für die Evangelische Kirche im Rheinland
Die Kirchenleistung
Christian Drägert – Vizepräsident Petra Bosse-Huber – Vizepräses
Speyer, den 10. September 2004
Für die Evangelische Kirche der Pfalz
(Protestantische Landeskirche)
Der Landeskirchenrat
Christian Schad – Oberkirchenrat